Markenkommunikation zwischen Analyse und Bauchgefühl – Ein Gespräch mit Manuel W. Stepan.

Manuel W. Stepan
Designer, Künstler, kreativer Stratege Manuel W. Stepan bewegt sich zwischen Markenwelt, Kunst und Design.
Im Gespräch erklärt er, warum Kommunikation mehr denn je berühren muss. Und was er Unternehmen rät, die mehr wollen als ideenreiche Werbung oder schöne Logos.

Herr Stepan, Sie arbeiten seit Jahren an der Schnittstelle von Kommunikation, Design, Kunst und Inszenierung. Was macht gute Markenkommunikation für Sie heute aus?

Gute Kommunikation muss Atmosphäre erzeugen – mit Haltung, nicht nur mit Strategie. Ich glaube an die emotionale Kraft von Marken, wenn sie sich trauen, weniger zu behaupten und mehr zu zeigen. Marke muss berühren, überraschen, inspirieren – und das auf allen Kanälen. Ich sehe Kommunikation als eine Inszenierung. Design und Kunst sind dabei keine Dekoration, sondern integrale Bestandteile der Erzählung. Weniger steuern, mehr inszenieren – mit Mut. Und genau hier beginnt Design, das nicht dekoriert, sondern Bedeutung schafft – im Zusammenspiel mit Kunst und Emotion.

Was heißt das konkret für Unternehmen?

Ich arbeite mit Marken daran, ihre Identität auf ein erlebbares Niveau zu bringen – in Inszenierungen, Räumen, Bildern, Filmen oder kreativen Interventionen. Das Format spielt dabei nur eine funktionale Rolle. Entscheidend ist: Das Markenerlebnis muss emotional und sinnlich sein, nicht nur funktional. Die Konzentration auf Werte seitens Design, Kunst und Emotion ermöglichen genau das.

Unternehmen müssen sich trauen, emotionaler und mutiger zu kommunizieren. Es geht nicht nur um Spots und Claims, sondern um Erlebnisse, Communities und Haltungen. Ich arbeite daran, die Marken Identität durch visuelle Dramaturgie, Installationen und Inszenierungen erlebbar zu machen – sei es am POS oder in einer Social-Media-Kampagne.

Das klingt eher wie ein künstlerischer Prozess als ein betriebswirtschaftlicher.

Genau – und genau das ist heute der Unterschied. In einer Welt voller Daten, KPI-Logik und austauschbarer Kommunikation braucht es kreative Intelligenz, die Emotionalität, Identität und Visionen mitbringt. Kunst ist dabei kein Gegensatz zur Marke, sondern deren Potenzial zur Transformation.

Sie bringen künstlerische Ansätze undElemente also bewusst in die Markenkommunikation ein. Warum?

Weil sie den Raum öffnen. Sie entziehen sich der reinen Effizienzlogik, bringen Tiefe, Reibung und echte Erlebbarkeit ins Spiel. Und genau das macht Marken heute spannend.

Ich denke in Atmosphären, nicht in Formaten. Ich frage mich: Was fühlt jemand, wenn er mit einer Marke in Kontakt kommt? Wo und wie kann ich mit Form, Raum, Farbe und vor allem auch Musik etwas erzählen, das bleibt? Diese Perspektive ist mir wichtig und bringe ich stark in die Markenarbeit ein.

In der Regel treffen Sie zunächst „von Außen“ auf eine Marke – Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Es bedeutet, dass ich nicht Teil des Systems bin – und gerade deshalb sehe, was im System fehlt. Viele Unternehmen sehen sich aus der Innenperspektive, durch Prozesse, Historien oder interne Zielbilder. Ich bringe einen neuen Blick mit: Ich kombiniere Analyse mit einem Gefühl für Menschen, Märkte und kulturelle Strömungen. Und manchmal erkenne ich dabei Dinge, die dem Unternehmen selbst verborgen bleiben – weil sie zu nah dran sind. Ich glaube: Wer alles sehen will, darf nicht mittendrin stehen.

Ist das nicht ein Luxus, den sich nur große Konzerne leisten können?

Das ist ein Mythos, dass nur große Marken sich kreative Exzellenz leisten können. Klar, ein globaler Marken-Relaunch erfordert andere Budgets, aber Kreativität kennt keine Größenordnung. Ich arbeite genauso mit kleinen, unabhängigen Unternehmen, Start-ups oder Kulturinitiativen zusammen . Kreativität sollte keine Frage des Budgets sein, sondern der Motivation, mit Engagement und Haltung. Wer den Mut hat, sich ernsthaft mit seiner Identität auseinanderzusetzen, ist ein potenzieller Partner. Und: Kleinere Unternehmen sind oft beweglicher, entschlossener und direkter in der Umsetzung. Oft entstehen gerade da die spannendsten Projekte.

Und das lohnt sich aus Ihrer Sicht?

Absolut. Wer heute nur „kommuniziert“, bleibt austauschbar. Wer aber Emotion und Haltung zu einem integralen Teil seiner Marke macht, stiftet Sinn, Differenzierung und emotionale Bindung. Das ist der wahre Mehrwert.

Wie sieht eine Zusammenarbeit konkret mit Ihnen aus – zeitlich, finanziell, methodisch?

Das Spektrum reicht vom kurzen, intensiven Marken-Audit bis zur langfristigen Begleitung über mehrere Monate oder länger. Manchmal beginnt es mit einem Gespräch, einem Workshop, manchmal mit einem bestimmten Projekt, das für Weiterentwicklung der Marke steht. Ich muss ein Gefühl für Bestehendes bekommen um daraus Ideen für die Zukunft zu kreieren. Die Basis kann die Entwicklung einer Brand-Bible oder eines Imagefilms mit neuen Ausrichtungen nach innen und außen sein. Die Kosten hängen naturgemäß davon ab, was wir gemeinsam gestalten wollen.

Was ist Ihrer Meinung nach der größte Fehler in der heutigen Kommunikation?

Zu viel Angst. Zu viel Kontrolle. Und zu wenig Design, Kunst und Emotion. Marken, die heute auffallen, sind nicht perfekt – sie sind spürbar.

Sie haben sich die letzten Jahre ein wenig der klassischen Design- und Werbebranche entzogen – warum steigt Ihre Begeisterung für kommerzielle Arbeiten und das Beraten von Marken erneut?

Entzogen (Stepan lacht), naja entzogen klingt ein wenig dramatisch. Wieder mehr Creative Director als Geschäftsführer sein, war der Ansatz. Meiner Kreativität mehr Freiraum einräumen: dem schnellen Takt, der Oberflächlichkeit, dem rein funktionalen Denken entkommen. Aber ja, ich habe mir mehr Zeit genommen, um freier zu arbeiten, zu experimentieren, zu lehren, Installationen zu entwickeln – kurz: um mich nicht nur als Dienstleister, sondern wieder als Gestalter zu verstehen.

Und heute?

Heute sehe ich, dass genau dieser Abstand ein Vorteil geworden ist.Die steigende Begeisterung – wie Sie es nennen – liegt daran, dass sich die Zeit verändert hat und mein Blick darauf auch. Ich glaube in der Markengestaltung, aber auch in der Werbung ist wieder mehr und mehr Raum für Emotion und künstlerische Ansätze entstanden. Da es nunmehr nahezu jeder verstanden hat wie es technisch geht, kehrt wieder mehr der Fokus auf das Besondere, das Unverwechselbare zurück. Unternehmen brauchen nicht nur neue Kampagnen, sondern neue Perspektiven. Ich bringe diese Außenposition mit – mit Erfahrung, aber ohne Betriebsblindheit. Wenn Design, Inszenierung und Emotion gemeinsam gedacht werden, können Marken heute mehr leisten als Werbung: Sie können Kultur erzeugen. Und Communities.

Was sagen Sie den Leuten, die – zurecht oder nicht – sagen: Es gibt doch schon viel zu viele Coaches, Berater und Kreative auf dem Markt?

Gutes Thema, gute Frage! Ich sage: Sie haben recht – aber die Frage ist nicht wie viele, sondern was für welche. Die meisten beraten entlang von Methoden, Prozessen oder Modellen. Ich arbeite anders. Ich bringe keine Tools, sondern Erfahrung und Weitblick. Gepaart mit ästhetischem und emotionalem Gespür, das gewachsen ist – durch Erfahrung im Design, der Kommunikation, in der Kunst, in großen interdisziplinären Gestaltungsprozessen entlang der Zusammenarbeit mit kleinen und großen Unternehmen aus den verschiedensten Branchen.

Und ich gehe nicht in Unternehmen, um ihnen zu sagen, was sie tun sollen. Ich gehe hin, um mit ihnen herauszufinden, wer und was sie wirklich sind – und was daraus entstehen kann. Darüber hinaus bin ich in der Lage Theoretisches in praktischen Umsetzungen zu denken. Das macht den Unterschied.

Und ganz konkret: Woher nehmen ausgerechnet Sie die Expertise, die den Unterschied machen soll? Warum sollte ich ausgerechnet Sie einladen, um mein Unternehmen oder meine Marke unter die Lupe zu nehmen?

Weil ich nicht komme, um zu gefallen sondern um zu sehen, was wirklich da ist. Ich bringe über zwanzig Jahre Erfahrung mit: in Design, Kommunikation, Technologie, Kunst, Markenführung, Rauminszenierung, etc. Aber entscheidend ist nicht nur was ich gemacht habe, sondern wie. Ich sehe Zusammenhänge, die andere nicht sehen – weil ich sie aus verschiedenen Perspektiven wahrnehme. Marken, Menschen, Räume, Narrative – das alles gehört für mich zusammen.

Ich bin weder nur Berater noch nur Design oder Künstler. Ich bin jemand, der Strukturen erkennt, Atmosphären liest und die Kraft hat, etwas Neues zu denken. Und ich habe keine Agenda außer der, das Potenzial sichtbar zu machen, das in einer Marke wirklich steckt – Emotionen zu wecken.

Oft gibt es bestehende Strukturen – Agenturverträge, interne Teams, loyale Dienstleister. Und natürlich Mitarbeiter, die skeptisch sind, wenn jemand von außen kommt. Sie bekommen also oft Gegenwind – von innen wie außen. Wie gehen Sie damit um?

Indem ich nicht als Konkurrent komme. Ich komme nicht, um etwas zu ersetzen sondern um etwas freizulegen. Ich habe großen Respekt vor dem, was da ist: vor Teams, vor Partnern, vor gewachsener Arbeit. Aber ich sehe auch: Wenn alle im System sind, fehlt oft der Blick von außen. Und manchmal auch der Mut zur Reibung. Der vor allem.

Ich gehe sehr bewusst in solche Kontexte hinein. Ich höre erst einmal zu. Ich will verstehen, bevor ich gestalte. Und wenn Widerstand da ist, nehme ich ihn ernst – weil er ein Zeichen dafür ist, dass etwas bewegt wird. Es geht nicht darum, lauter zu sein als andere. Es geht darum, tiefer zu denken.

Ich bin kein Einflüsterer und kein Besserwisser. Ich bin ein Seismograf. Und manchmal braucht es genau das: einen, der spürt, was andere übersehen.

Und wie gehen Sie mit einem der typischen Spannungsfelder um – dem Konflikt zwischen der Einkaufsabteilung, die möglichst wenig ausgeben will, und den Kreativverantwortlichen, die in experimentelle Ansätze durchaus bereit wären zu investieren?

Indem ich beiden Seiten zuhöre – aber nicht nachgebe, wenn es um Qualität geht. Der Einkauf hat einen berechtigten Auftrag: Effizienz, Vergleichbarkeit, Kontrolle. Die Marketing- oder Kommunikationsabteilung hingegen denkt oft mutiger, visionärer. Ich versuche diese beiden Welten zu verbinden. Das heißt: Ich mache transparent, was mein Ansatz leisten kann – nicht nur emotional, sondern auch strategisch. Ich rechne nicht in Formaten oder Kanälen, sondern in Wirkung. Und ich liefere Argumente, keine Fantasien. Wenn man einem Unternehmen zeigen kann, dass ein gezielt eingesetztes gestalterisches Element langfristig mehr verändert als zehn Einzelmaßnahmen, wird plötzlich auch der Einkauf hellhörig.

Gibt es aus Ihrer Sicht ein probates Mittel gegen typische Widerstände – etwa aus dem Vorstand? Aussagen wie „Das brauchen wir nicht“ oder „Wieviel verkaufen wir dadurch mehr?“ gehören ja fast zum Standardrepertoire der Ablehnung.

Natürlich. Und ich verstehe diese Fragen. Sie sind Ausdruck einer Einstellung, die Ergebnisse sehen will – und das zu Recht. Aber genau deshalb sage ich: Wenn wir über Design, Kunst und Emotion in der Kommunikation sprechen, reden wir nicht über Dekoration. Wir reden über Differenzierung, über kulturelle Anschlussfähigkeit und letztlich über Relevanz im Markt.

Wenn ein Vorstand „Wieviel verkaufen wir dadurch mehr?“ fragt, ist das ein Signal: Er sucht Sicherheit. Dann muss ich zeigen, dass Identität, Vertrauen, Wiedererkennbarkeit nicht nur Soft Skills sind, sondern harte Faktoren für Markenbindung, Employer Branding, Preiswürdigkeit – und damit letztlich: Umsatz.

Wie gehen Sie mit Ablehnung gegenüber Kreativem um? Viele Unternehmen oder Unternehmer trauen sich nicht, neue Wege zu gehen – vor allem wenn sie nicht sofort verstanden oder „bewiesen“ sind. Schlimmer noch: Neues ist ja meist noch gar nicht getestet.

Genau das ist das Paradoxe: Innovation wird ständig eingefordert – aber selten ertragen. Viele sagen, sie wollen das Neue, meinen aber in Wahrheit eine optimierte Version des Bekannten. Ich sehe das nicht als Vorwurf, sondern als Teil der Realität in Unternehmen. Denn Neues ist unübersichtlich. Es lässt sich nicht benchmarken, nicht kalkulieren, nicht sofort kontrollieren. Und ja – es macht Angst.

Ablehnung ist Teil des Prozesses. Deshalb ist mein Ansatz auch kein Radikalbruch, sondern ein Angebot: Ich führe Unternehmen schrittweise an neue Sichtweisen heran. Durch kleine Interventionen, erfahrbare Elemente, manchmal nur eine veränderte Sprache oder ein irritierendes Detail. So entsteht Vertrauen. Nicht durch das Versprechen, dass alles sofort funktioniert, sondern durch das Erleben, dass sich etwas verändert – emotional, atmosphärisch, kulturell.

Was sind für Sie die wichtigsten Trends in der Kommunikation?

Authentizität, Interdisziplinarität und Immersion. Menschen wollen keine Werbebotschaften, sie wollen Erlebnisse. Das bedeutet: Kunst und Design werden zu maßgeblichen Kommunikationsmitteln. Ich sehe eine Renaissance der analogen Erfahrung – Filme, Installationen, Pop-up-Galerien, multisensorische Räume. Gleichzeitig ist digitale Kunst, etwa generative Art oder NFTs, Teil der Markenwelt. „Gamification“ ist dabei ein wichtiger Faktor geworden!

Eine letzte Frage: Was raten Sie jungen Kreativen, die in der Branche Fuß fassen wollen?

Neugierig bleiben, disziplinübergreifend denken und arbeiten, keine Angst vor Experimenten haben. Die spannendsten Ideen entstehen oft dort, wo Design, Kunst, Technologie und Kommunikation sich begegnen. Und: Mut zur eigenen Handschrift – denn die wird in einer Welt voller Austauschbarkeit immer wichtiger. Und bitte: Nicht in Arbeitszeiten denken – Die Creative Industries sind ein 24/7 Geschäft.

Datum: Mai 2025

Zur Person: Manuel W. Stepan ist Kurator, Designer, Creative Director mit Sitz in Wien, der für seine Arbeiten an der Schnittstelle von Kunst, Design und Markeninszenierung bekannt ist. Der mehrfach ausgezeichnete Designer kreiert Erzählungen unabhängig vom Medium und berät Menschen, Marken und Unternehmen im Ungang mit deren Inszenierung entlang von Design und Kommunikation. Als Creative Director arbeitet er regelmäßig mit renommierten Marken, Unternehmen und Institutionen zusammen, darunter A1, Nespresso, Sony Music, Vöslauer, Samsung, ORF, Media Markt, Bundesministerium für Nachhaltigkeit, Post AG, Unilever, etc. Diverse Projekte rund um Design, Kommunikation, Events, Ausstellungen, Musikvideos, Werbespots, Film, 360° Kampagnen, sowie Applikationen für analoge und digitale Medien wurden erfolgreich umgesetzt. – immer mit dem Ziel, kreative Visionen auf den Punkt zu bringen und nachhaltig erlebbare Momente zu schaffen. Manuel W. Stepan begleitet Unternehmen bei der Prüfung und Anpassung ihrer Inszenierung an Kontaktpunkten mit Kunden und Mitarbeitern. Marken stringent sowohl innen als auch außen dramaturgisch richtig wahrzunehmen ist wichtiger denn je geworden. Mit jahrelanger Erfahrung in der Umsetzung zahlreicher interdisziplinärer Design-, Kunst- und Kommunikationsprojekte, weiß Manuel W. Stepan nicht nur rund um Entwicklung und Produktion dieser, sondern auch um die Notwendigkeit, Abläufe und Kreativprozesse erfolgreich im Team zu implementieren. Manuel W. Stepan begleitete schon in den jungen 2000er Jahren große Marken bei Ihren “ersten Schritten” ins WWW und setzte in den letzten 20 Jahren als Kreativ Direktor viele unterschiedliche Projekte national und international um. Beginnend bei Corporate Designs, über Apps und Webseiten, Image- u. Werbefilmen, Events und Ausstellungen bis hin zu allumfassenden Werbekampagnen, Markenaufbauten, als auch dem Redesign diverser TV Sender. Seit einigen Jahren arbeitet Manuel W. Stepan darüber hinaus als freier Künstler und entwirft vorwiegend designorientierte Kunst für Wohn-, Geschäfts- und öffentliche Räume in Form von Collagen, Stoffen, Drucken, Skulpturen und ebenso digitale generative Kunst und Nfts. Als Kurator setzt er spannende Kunst- und Designausstellungen in Verbindung mit Marken und Unternehmen um.